Mittwoch, 1. Juli 2015

Foto-Strecke „Schule Dein Auge“ Teil 2


Heute soll es um ein paar Feinheiten in der Bewegung des Pferdes als Reittier gehen:


Zwei Dinge sind hierbei hervorzuheben:

1. Das Pferd bewegt sich von Natur aus für sich selbst sozusagen „perfekt“. Es nutzt nur soviel Energie, wie sein muss. Es verbraucht seine Energie nicht einfach so. Und es ist in seiner eigenen natürlichen Balance, wobei es seinen natürlichen Bewegungsmustern folgt (Fluchthaltung,
Richtungswechsel).
2. Wenn wir ein Pferd gesunderhaltend reiten wollen, müssen wir mehrere Faktoren dieser natürlichen Gegebenheiten umwandeln. Das Pferd versteht jedoch nicht den Sinn, dass es sich anders bewegen soll, also sind Freude am Miteinander (Atmosphäre), Motivation und eine ruhige verständliche Sprache eine wichtige Voraussetzung für ein MITEINANDER.

Damit das Pferd die Muskeln trainiert, die es zum Tragen braucht und seine Körperhälften gleichmäßig belastet, muss es seine natürliche Balance (resultierend aus seiner Schiefe) aufgeben und Stück für Stück zu einer körperlichen Balance finden. Auf dem Weg zur körperlichen Balance 


- bringen wir die Vorderbeine in die Waage, dass hier nicht ein Bein mehr Last trägt, stützt und schiebt, sondern beide gleichmäßig frei nach vorn greifen können;
- bringen wir die Hinterbeine in Balance, dass nicht eins mehr trägt oder schiebt als das andere, sondern beide gleichmäßig Schub entwickeln, unter den Schwerpunkt treten und sich versammeln lassen;

- bringen wir die Oberlinie in Bezug auf die Vorhandlastigkeit zu einer vorwärts-aufwärts (bergauf) Tendenz;





- und richten das Pferd gerade, in dem Vor- und Hinterhand jeweils rechts und links ausbalanciert zusammenspielen.


Schauen wir uns die Bewegungsformen und -eigenschaften am folgenden Bild an.


Welche Teilziele sind hier bereits positiv umgesetzt?


 
Das Pferd ist nicht in einer Fluchthaltung. Es streckt Kopf und Hals nach vorwärts-abwärts, ist entspannt und macht einen zufriedenen, aufmerksamen Eindruck. Der Schweif ist locker und wird getragen.
Es wird immer davon gesprochen, dass sich der Rücken aufwölben muss, damit uns das Pferd tragen kann, damit also der Rücken schwingt und die Dornfortsätze der Wirbel aufgespannt werden.
Wie an folgender Skizze zu erkenne ist, spielen zwei Ansatzpunkte eine bedeutende Rolle.
Zuerst sehen die meisten die große Gewichtspartie von Kopf und Hals, die als ein Gegenspieler den Rücken anhebt. Wie ich eben sagte, ist das EIN Gegenspieler. Denn wie in der Zeichnung auch zu sehen, "kippt" das Pferd sozusagen nach vorn erst recht auf die Vorhand, die Hinterhand bleibt „leicht“ und schiebt, die Vorhand muss auffangen.
Deshalb spielt die zweite Komponente eine entscheidende Rolle: die aktive Hinterhand. Erst mit einer aktiv nach vorn unter den Schwerpunkt tretenden Hinterhand, wobei in der Bewegung das Becken gekippt wird und dadurch die Kruppenmuskulatur den Rücken anhebt, kann die Vorhand entlastet werden und der Rücken wird sowohl aufgewölbt als auch schwingen. Die Bewegungen werden im Gesamten elastischer und schwungvoller.
Deshalb spreche ich eher von vorwärts-aufwärts als Dehnungshaltung.

  
Das Pferd auf dem Foto läuft auf der Vorhand. Das ist an der Taktverschiebung zu erkennen (inneres Vorderbein stützt noch, während das äußere Hinterbein schon fast den Boden verlassen hat). Es trabt zwar vorwärts-abwärts, aber eben nur vorwärts-abwärts. Es geht eigentlich um ein vorwärts-aufwärts, ein Dehnen, damit der Rücken gewölbt und locker schwingen kann. Dieses Dehnen der gesamten Oberlinie geht jedoch nur mit einer aktiven Hinterhand als Gegenpol einher. Deshalb sollte die Pferdenase nicht tiefer als bis zum Bug kommen (außer für kurze Momente).

Hier ein schöner Artikel zum Schulen des Auges über Taktverschiebung.


Welche nächsten Teilziele sollten hier in der Ausbildung des Pferdes und dem Training angegangen werden?


erweiterte Darstellung der Bewegung von HH und Rücken von ARR
Wenn die Hinterhand aktiviert und zu mehr Vorgriff animiert wird, wird der Takt wieder hergestellt, die Vorhand „leichter“ und Kopf und Nase weiter vorwärts aufwärts getragen – die Streckung der Oberlinie kann von vorn bis hinten erfolgen (eben auch eine „Streckung“ vom Hinterhuf über die Kruppe wie in dieser Zeichnung). Die Hinterbeine werden so weiter unter den Schwerpunkt treten und die Vorderbeine weniger in den Boden „rammen“. Auch wird der Rücken mehr zum Schwingen kommen.

Ein nächstes Ziel sollte die Stellung und damit die Biegung sein. Dieses Pferd ist gerade. Wir sehen nur das innere Auge, das äußere Ohr (Winkel der Aufnahme) steht sogar hinter dem inneren.
Ziel sollte es sein, in der Stellung etwas der Stirn und das äußere Ohr zu sehen. Die Stellung ist der vordere Ansatz, aus dem eine Biegung entsteht. Danach kann durch das aktive innere Hinterbein das Becken die Biegung mitmachen.

Zurück zu den Feinheiten in der Bewegung: Entscheidend ist die Richtung und der Fluss der Bewegungsenergie.
Es geht in der Pferdeausbildung und dem regelmäßigen Training eines Reitpferdes darum, es zu fördern, dass es jeweils die Vorder- und Hinterbeine gleichmäßig nutzt (jedenfalls, wenn es geritten werden soll oder wird).
Auch müssen wir es dahingehend fördern, dass die starken Kräfte auf den gebogenen Linien nicht Gelenke, Muskulatur und Knochen schädigen. Pferde bewegen sich in der Natur nicht lange auf einer Kurvenlinie. Das ist in der Flucht nicht nötig. Eben nur ein Richtungswechsel.
Auf einer gebogenen Linie (Kreis) wirken Fliehkräfte. Im Detail sind das die Scher- und Zentrifugalkraft. Bewegt sich das Pferd mit Reiter oder ohne lange schief auf einem Kreisbogen, in höherem Tempo besonders belastend, gibt es auf Dauer gesundheitliche Schäden. Je nach dem, welche Seite hohl ist und wo es die händige Seite hat, sollten Schulter und Hinterbein gezielt trainiert werden, um diese Kräfte zu minimieren. Im Gleichgewicht auf seinen Beinen und mit einem schwingenden aufgewölbten Rücken kann das Pferd sich zu einem Reittier entwickeln.




Ich hoffe, ich konnte Euch weitere Zusammenhänge der Biomechanik und der Bewegung anschaulich erklären.

Ich freue mich auf Eure Kommentare, Fragen und Feedback.

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ergänzend zu diesem Artikel:

Hier geht es zum 1. Teil: "Schule Dein Auge"
Artikel: Es geht weiter: Foto-Strecke "Schule Dein Auge"
Artikel: Interesse an einer Foto-Strecke "Schule Dein Auge"

von Herzenspferd:
Natürliche Schiefe – So richtest Du Dein Pferd gerade!

von Hippovital:

Und warum pferdegerechtes und der Anatomie entsprechendes Training?
Gedankenanstoß von Reiten mit Herz

4 Kommentare:

  1. Vielen Dank, wieder einmal! Ich liebe deine Bilder, weil sie so einfach und schnell klar machen, wie es sein sollte. Am allerallerliebsten hätte ich dann immer noch ein "echtes" Bild in der korrekten Haltung dazu. Aber das ist jetzt ein Wunschkonzert meinerseits. Ich finde deine Serie toll! Es ist so wichtig, dass wir Pferdemenschen lernen richtig zu sehen und selbst zu erkennen, wann ein Pferd gesund läuft und wann nicht. Alles Liebe und nochmal danke für den tollen Artikel! Die Pferdeflüsterei.de

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    1. Danke Petra, Deine Idee ist super und dein Wunsch machbar. Echtfotos als Vergleich mit hineinzunehmen, wie es sein sollte, werde ich versuchen mit hineinzunehmen.

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  2. Anonym7/03/2015

    Hallo. Deine Bilder sind wirklich sehr gut beschrieben. Ich habe mir vor kurzen den Online Longenkurs von Babette Teschen gekauft. Deine und ihre Art zu longieren gleichen einander. Ich kann das alles nur befürworten und jeden raten, wenn er longiert es nur auf diese Weise zu tun. Dann schadet es dem Pferd auch nicht. Im Gegenteil es lernt richtig auf einer Kreislinie zu gehen und seine innere Schulter zu entlasten.

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    1. Danke für Dein Kommentar. Longieren kann ein großer Gewinn sein, aber auch viel in Bezug auf die Beziehung und körperlich Schaden. Viel Freude mit Deinem Pferd. lg

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