Mittwoch, 15. Mai 2013

Von der Bedeutung der Verantwortung und dem Gewinn aus einer zwanglosen Haltung für die Beziehung

Wie viele Menschen „besitzen“ ein Pferd? Wie viele Menschen „besitzen“ ein Tier?
Es ist eine sehr große Verantwortung, wie ein Kind, wie jemand, der einem anvertraut ist. Anvertraut – also mit Vertrauen in die Obhut gegeben – welch große Aufgabe und Verantwortung wir dann haben, für dieses Tier zu sorgen!




Ich glaube, man ist sich im Alltag des öfteren nicht ganz bewusst, neben den täglichen Sorgen, der Arbeit, etc. wie viel Verantwortung man eigentlich ständig trägt. 
Nicht, dass wir vor lauter Verantwortungsdruck mit gebeugtem Rücken herumlaufen müssen.
Nicht, dass wir in jeder Sekunde vor Verantwortung in Sorgen sein müssen.

Dennoch müssen wir uns immer wieder daran erinnern. DIE VERANTWORTUNG FÜR UNSER PFERD. Sie endet nicht, wenn wir den Stall verlassen oder in den Urlaub fahren. So wie wir gut behandelt werden wollen, wie wir wollen, dass sich die Eltern, der Ehepartner, die Familie oder Freunde um einen kümmern und sorgen, so geht es dem Tier, das nicht einmal eine Wahl hat. Es lebt in Gefangenschaft. Auch wenn wir für den ein oder anderen Komfort sorgen, kann es uns nicht direkt sagen, was ihm fehlt, wie es ihm geht, wonach es sich sehnt, etc. Umso mehr muss jeder sich darum bemühen, Augen, Ohren und das Herz offen zu halten, um Signale wahrzunehmen, die uns sagen, wie es unserem Tier geht.

Warum schreibe ich darüber?


Ich mache mir des öfteren Gedanken darüber, was ich oder jemand mit seinem Pferd erreichen kann, also bestimmte Lektionen reiten zu können, Harmonie und
Einklang beim Reiten zu erhalten, ein Einheitsgefühl, nur denken zu müssen und mein Pferd tanzt mit mir. 
Ja, tolle Ziele. 
Aber jedes Mal kommen auch die Gedanken über das, was andere erreichen, was andere mit ihren Pferden machen – besonders in Turnieren, besonders wo es um Siege, um Prestige geht. 
Es gibt tolle Vorbilder, nur leider so viele Beispiele, die mich traurig machen. Was oft erreicht wird, ist Augenwischerei, wobei die Tiere meist leiden und unglücklich sind. Warum nutzen so viele diese wunderbaren Tiere aus, zwingen sie zu Leistungen (Hat sie jemand gefragt, ob sie Spitzensportler werden wollen, mit all dem harten Training?) und verlangen Gehorsam, Bereitschaft, Kampfgeist und dass sie alles ohne Mucken sofort umsetzen. Wenn sie nicht spuren, dann kommen die Sporen. 

„Je geringer die Kompetenz – desto größer die Neigung Kraft, Gewalt und vielerlei Hilfsmittel anzuwenden.“ (u.a. von Philippe Karl und Emil Scheid) 

Wie wahr. Wie traurig. Umso wichtiger, sich selbst immer wieder zu hinterfragen, bedacht und ohne zu große Erwartungen an die Tagespläne mit dem Pferd heranzugehen, so dass man merkt, wie es dem Pferd damit geht, ob es versteht, ob es Freude zeigt, ob ich auch wirklich dabei bin und und und. Die schönsten Momente schenken uns die Pferde, wenn wir ohne Erwartungen kommen, fragen und auf freiwillige Antworten warten.

Ich möchte Dir von einer Begebenheit erzählen:


Ich habe es nicht immer leicht mit meiner Stute.
Sie ist ein starkes Pferd, die ihren Willen hat und ihn behalten will. Sie ist selbstbewusst und tritt fest, klar, ruhig und gelassen in ihrer Herde auf. 

Eigentlich toll. 

Nur fällt es mir auf, dass ich oft zu egoistisch herangehe und etwas verlange, statt zu warten, was sie geben will. 

Vor einer Weile hatte ich das große Bedürfnis einfach nur zu ihr zu gehen und sie so zu sehen wie sie ist, nicht wie ich sie haben möchte; zu warten, was passiert, nur da zu sein, als Freundin.
Im Alltag ist es schwer diese Ruhe und Zeit zu finden. Es geht (fast) überall um Zeitmanagement, Ziele zu erreichen, aktiv zu sein und Erfolg zu verbuchen. Doch nicht mit dem Pferd. Jedenfalls würde mir das meine Stute sagen, wenn sie reden könnte. Da bin ich sicher.
"Lass mich ein Pferd sein! Nutze mich nicht unter deinem Erfolgsdruck und für dein Selbstwertgefühl aus."

An diesem Tag war mir sehr danach, sie mit unvoreingenommenen Augen zu sehen und etwas über sie zu erfahren. Sonst ackern meine Gedanken nämlich leider viel zu dem Thema: Was machen wir heute, damit ich die Zeit gut nutze. Ein wenig Muskeltraining. Ein wenig ran an den Speck mit Bewegung :) Oder ... 

Ich stellte mich also einfach nur neben sie und begann sie am Hals zu kratzen. Eine Stelle, von der ich dachte, das könnte ihr gefallen. 
Und es gefiel ihr. Jedes Pferd ist anders mit seinen Vorlieben, wo es Kontakt möchte oder verweigert. Schau Dir beim nächsten Mal beim Putzen, Streicheln, Dein Pferd genau an:
Zieht es den Kopf weg?
Räkelt es sich Dir mit dem Hals entgegen?
Zappelt es am Bauch oder Bein?
Dreht es sich von Dir weg oder auf Dich zu?
Wann beginnt es sich zu bewegen?
Oder schaut es lieber wo anders hin?
Was zieht seine Aufmerksamkeit auf sich?
Wie wichtig ist ihm der Kontakt?
Man kann sein Pferd wie einen Partner kennenlernen, der Vorlieben hat, Tage mit Kuschelcharakter oder auch einmal einen Tag, an dem es allein sein möchte.
Wie bei uns. Ich wünsche mir immer wieder, dass ich das auch wahrnehme und zulasse.
 
Meiner Stute gefiel das Kratzen. So kratzte ich sie weiter am Widerrist. Dabei trat sie langsam einen Schritt zurück, als Zeichen, kratz mich etwas weiter oben am Hals. Sie war vorsichtig. Wie im körperlichen Gespräch mit mir. Das war ein tolles Gefühl, wie sie mir begegnete. Und so kraulte ich eine ganze Weile und immer wieder drehte sie ihren Kopf zu mir, berührte mich sanft, manchmal mit einem leichten Schnauben und dann drehte sie sich wieder nach vorn und genoss weiter die kleine Massage. Ich verstand es als „danke, das tut gut“. Der Kontakt, die Pflege ohne danach etwas zu erwarten oder machen zu müssen, hat sie sichtlich entspannt. Sie genoss es. Und was ich genoss, war ihre Zugewandtheit und Feedback zu dem was ich tat. Ich konnte einmal sie bedienen. Nicht, dass ich sie sonst nie putzen würde. Aber was ich gelernt habe ist, dass die innere Haltung, eine Erwartung eben auch störend sein können, wenn man sich auf das Jetzt konzentrieren möchte. Das jetzt zu genießen geht schlecht, wenn ich weiß, dass ich mich gleich noch anstrengen muss. 
An diesem Punkt wird es nochmals spannend: Sich anstrengen müssen? 
Ich denke nicht, dass meine Pferde alles freiwillig machen. Ich bemühe mich schon, sie zu bitten und zuzulassen, wie sie drauf sind. Was ich machen kann, ist mich immer daran zu erinnern, dass die Zeit zusammen, EGAL WAS WIR TUN, motiviert, freundschaftlich und mit einer Portion Spaß verbunden sein sollte (soweit Pferde Spaß kennen). Spaß ist Freude, etwas gern zu tun, in etwas aufzuleben, es wieder zu tun und ganz dabei zu sein. So ist ein Pferd in motivierter Konzentration mit mir als Partner schon auch mit etwas Spaß bei der Sache. Denn ich habe schon das Gefühl, dass sich Pferde auch gern bewegen. Ich jedenfalls fühle mich nach einer schönen Anstrengung auch gut und belebt. Und zu sehen, wie sich mein Pferd freut und anstrahlt, wenn ich es lobe, ihm meinen Stolz zeige, dann denke ich, ich kann ein gerechter, freundschaftlicher Partner sein.
Denn sich in der Nähe oder dem Kontakt zu einem Menschen zu entspannen, bedeutet oder setzt schon Vertrauen und die Freiheit von Stress und Angst voraus.

Die Persönlichkeit meiner Stute und den Moment der Verbundenheit und Zufriedenheit wahrzunehmen war so schön, dass ich ihr sehr dankbar für diese Erfahrung bin. Ich kann nur Antworten hören, wenn ich „leise“ bin und „hören will“. Wenn ich also nicht nur auf das schaue und warte, was ich haben möchte, was ich verlange, sondern ohne Erwartungen heranzugehen und abzuwarten, wie weit mir mein Pferd entgegenkommen MÖCHTE.
Dass das sehr schwer ist, schwerer im Alltag als bei einer Streicheleinheit, weiß ich gut, aber es ist es Wert, sich immer wieder darum zu bemühen. 
Warum? 
Weil ich so beglückt und zufrieden gehen kann. Weil ich schenken kann und dabei selbst mit inneren Freuden beschenkt werde. Weil ich diesen Moment im Herzen behalten werde. Und ich weiß, mein Pferd hat mit mir Freude erlebt und wird mich morgen erwartend anschauen.



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zum Weiterlesen:

ein schöner Artikel von Pferdespiegel: "Ich wünsche mir die Leichtigkeit zurück!"

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