Mittwoch, 15. Mai 2013

Aufwärmen - aber wie?


Man hört es überall und besonders in der kalten Jahreszeit wird es vermehrt Thema: das Pferd muss vor der Arbeit aufgewärmt werden. Jedoch was macht der/die Reiter/in? Wie soll sich ein Pferd losgelassen bewegen, wenn der/die Reiter/in steif, verkrampft oder blockiert im Sattel sitzt?

Hier möchte ich Übungen teilen, die dem/der Reiter/in helfen, selbst locker und beweglich zu sein. 


Aufwärmen - aber wie?


Als Einstieg habe ich eine einfache Übung gewählt, die ein Anfang für mehr Beweglichkeit ist. Da alle Muskelgruppen und Bereiche (wie Füße, Beine, Becken, Oberkörper, Schultern, Hals und Kopf) verbunden sind und Verspannungen übertragen werden können bspw. Steifheiten gelöst werden, wenn man an einer Stelle mit Lösungsübungen anfängt. Nämlich wenn ein Bereich, eine Muskelgruppe blockiert, verspannt ist, hat es zwangsläufig kleinere oder größere Auswirkungen auf andere Muskeln.

Widmen wir uns zuerst dem Kopf:

  1. Am besten Du schließt die Augen, damit Du nicht das Gefühl hast, es sieht dich jemand, trau Dich: mit verrückten, grässlichen Grimassen löst Du nicht nur die Gesichts- und Kaumuskeln, sondern erheiterst auch noch Dein Gemüt.
    Es ist wie beim Pferd, wenn es nicht im Genick und Kiefer locker wird und nachgibt, kann es sich auch nicht losgelassen bewegen und biegen.
  2. Drehe Deinen Kopf nach rechts und links, neige ihn nach rechts und links, sodass die Ohren in Richtung Schultern wandern (nicht die Schultern hochziehen) und kreise ihn von rechts nach links (aber nur vorne und niemals hinten, da das schädlich für die Halswirbelsäule ist).
  3. Und nun zu den Schultern: Zuerst werden sie weit nach oben an die Ohren gezogen, kurz halten und dann locker wieder in die Ausgangssituation bringen. Da all diese Übungen einfach auch zu Pferd umgesetzt werden können, hier noch eine letzte Schulterübung. Dazu werden sie rückwärts gekreist. Wichtig hierbei ist, sie rückwärts zu kreisen, da dies den Rücken und Oberkörper aufrichtet und dazu beiträgt, aufrecht, locker, im Lot auf dem Pferd zu sitzen. 

Als nächstes nehmen wir uns die Hände vor. Denn sie sollen eine sanfte, begleitende Verbindung zum Pferd halten und mitgehen. Das Pferd kann sich nämlich auch nicht lösen oder wird dauernd in der Bewegung und dem Vorwärts gestört, wenn die Zügelhände fest und unbeweglich sind. Das Pferd nickt in der Bewegung und diese Bewegung dürfen wir nicht stören. Stelle Dir vor, Du balancierst und hast ein Seil in der Hand. Damit hältst Du Kontakt zu einem Begleiter - zur Sicherheit. Jedoch der passt nicht auf und folgt Dir nur sporadisch. Plötzlich zuckt er mal am Seil, lässt los oder hält gegen, obwohl Du weitergehen möchtest. Das wird Dich beim Balancieren garantiert stören und aus dem Gleichgewicht bringen. Ebenso wirst Du unsicherer und langsamer vorankommen. Deshalb nehmen wir uns nach der Schulterübung die Hand und Arm vor:
  1. Deine Arme hängen locker aus der Schulter herunter und haben die Position, wie beim Reiten. Bewege nun Deine Arme vor und zurück, als würden sie schaukeln. Zuerst soweit es geht (immer in der angewinkelten Position der Zügelhand, so dass sich der Winkel in der Armbeuge ständig verändert) und dann Stück für Stück weniger werdend. Hiermit findet Dein Arm eine Position, wo er entspannt hängen kann, ohne halten zu müssen. Denn wenn Du die Arme hältst, also in einer Position, die Kraft braucht, werden zwangsläufig die Schultern fest.
  2. Und nun folgen die Hände mit der Positionsfindung: Sie stehen als Zügelfäuste aufrecht, der Daumen liegt oben auf. Nun drehst Du Deine Hände hin und her, also eindrehen und ausdrehen, nach innen, wo sie sich nähern und nach außen. Du beginnst wieder mit einer möglichst großen Bewegung soweit es geht. Dann wird die Bewegung immer wenig bis Du für Dich die Mitte gefunden hast, in der die Hände eine angenehme lockere Position haben. Hieraus können sie am besten einwirken, weil sie entspannt sind.
  3. Nun springe ich einmal zum anderen Körperende - den Füßen. Die gleiche Übung kannst Du mit den Füßen machen. Lass sich einfach hängen und beginne zu kreisen. Einmal rechtsherum, einmal linksherum und am Ende schön ausschütteln. Nun bewegst Du das ganze Bein vor und zurück. Zu Anfang wieder in großen Bewegungen und dann immer weniger werdend, bis zu Du Deine Mitte, die entspannte Position gefunden hast, in der Dein Bein am Pferd liegen kann. Es ist hierbei nicht vordergründig wichtig, dass es "korrekt" liegt. Denn verkrampft korrekt bringt gar nichts. Wenn Du weiß, dass Dein Bein nicht die korrekte Haltung hat, sind Sitzübungen in der Bewegung am sinnvollsten - am besten an der Longe. Auch die Füße sollen nicht in eine Position gezwungen werden. "Fußspitzen" nach innen oder "Knie an den Sattel" - das ist kontraproduktiv.
    Ist der Absatz weg oder herunter gedrückt,spannt sich die Wade und kann nicht mehr fühlen und ebenso überträgt sich diese Festigkeit aus Wade und Fußgelenk auf das Becken. Der Fuß liegt ohne extra Druck mit dem Zehballen im Steigbügel. Das Fußgelenk und Bein kann sie die Bewegung fließen lassen und federn.
    Was nicht natürlich ist, macht fest und dadurch verlieren wir ein lockeres mitschwingendes Becken. Die Füße sollen entspannt im Steigbügel stehen und in der Bewegung im Fußgelenk mitgehen also federn. Hierfür ist es wichtig, dass Du richtig im Steigbügel stehst. Der Steigbügel liegt nicht in der Fußmitte und auch nicht unter den Zehen. Fühle ihn dort, wo der Ballen des großen Zehs ist. Du findest die richtige Postion am besten, wenn Du Dir vorstellst, Du willst auf Zehenspitzen gehen und brauchst sicheren Halt. Auch beim Reiten soll das Gefühl da sein, sich zu erden, mit den Füßen einen Kontakt zum Boden zu haben, über den Steigbügel natürlich.

Nun gehen wir noch zu Deiner Mitte.
  1. Das Becken als Grundlage des Sitzes hat eine besondere Bedeutung. Es ist die direkte Verbindung zum Pferd und der Ausgangspunkt von allem Reiten. Denn der Sitz ist die primäre Hilfe und der Körperteil, der als erstes mit der Bewegung in Kontakt kommt. Das Becken fühlt und folgt, nimmt auf und leitet weiter und formt und lenkt das Pferd. Alle weiteren Hilfen sind Verfeinerungen. Umso wichtiger, dass wir im Becken locker und beweglich sind. Hier soll es nun darum gehen, die Mitte und entspannte Grundhaltung zu finden. Sitze aufrecht auf dem Pferd im Sattel, die Beine hängen entspannt ohne eine Position zu fixieren. Nun rollst Du im Sattel mit dem Becken nach vorn und dann nach hinten. Das heißt Du machst den Rücken rund, in dem Du das Becken nach hinten kippst, das Steißbein versuchst nach vorn zu schieben - ähnlich dem Anschaukeln. Nun folgt die Bewegung in die andere Richtung. Der Po bewegt sich nach hinten, das Becken kippt nach vorn und der Rücken macht ein Hohlkreuz. Wiederhole diesen Ablauf mehrmals und dann wirst Du kleiner in der Bewegung - Stück für Stück kippst Du nicht mehr bis an die Bewegungsgrenze, bis Du in der Mitte angekommen bist. Die Endposition ist deine gefühlte Mitte, wo Du entspannt aufrecht sitzt. Das ist immer die Ausgangsposition. "Fehler" hierin, ein Hohlkreuz beim Reiten oder Rundrücken, nach vorn gedrückte Schultern etc. aus bspw. der täglichen Sitzposition im Büro, können nicht von jetzt auf gleich beseitigt werden, wenn Du Dich in eine Position zwingst. Auch hier ist eine gute Sitzschulung mit gezielten Übungen für mehr Geschmeidigkeit und Körperhaltung nötig.
Das Becken (Sitz) ist die wichtigste Verbindung zwischen Pferd und Reiter. Becken und Pferderücken sind wie ein Tanzpaar, wie kommunizieren, fühlen, leiten und folgen sich. Tanzen ist harmonisches Miteinander - eine gemeinsame Bewegung.
  1. Eine zweite Übung lockert die Wirbelsäule. Drehe Deinen Oberkörper soweit Du kannst nach rechts, schau dabei nach hinten. Nun drehst Du Dich nach links. Dein Oberkörper dreht sich, Dein Becken liegt ruhig. Anschließend neigst Du den Oberkörper nach rechts und danach nach links - dehnst also die linke und die rechte Seite abwechselnd. Beide Übungen führst Du so oft durch, wie es für Dich angenehm ist. Du kannst aufhören, wenn Du Dich locker fühlst oder wieder den Weg gehen, aus der großen Bewegung in die kleine zu kommen und in Deiner Mitte die Übung zu beenden.

Wie fühlst Du Dich nun? Freier als vorher? Super, dann kannst losgehen. Fühle nun die Bewegung im Schritt auf dem Pferd. Fühle den Takt, folge dem Takt, lass Dich mitnehmen. Reite zu Beginn nur mit dem Sitz: leite Wendungen bewusst ein und steuere das Tempo. Du kannst damit spielen, die Bewegungen größer werden zu lassen und Dein Pferd zu mehr Raumgriff zu animieren und aus mit weniger Beckenbewegung wieder zurückzuholen. Spiele mit der Einwirkung, ohne zu stören. Für mich ist dieser Beginn eine schöne Art in Einklang mit dem Pferd zu kommen, das Gefühl an erste Stelle zu setzen und sich immer wieder zu erinnern, dass der Sitz vor allem anderen kommt.
Viel Freude!


Wer Lust verspürt kann mir gern seine Lieblingsübung schreiben und sie so mit anderen Lesern teilen.
Ich hoffe ich habe Dich mit solch einfachen Übungen nicht gelangweilt. Ich weiß, Du bist viel gelenkiger.
So und nun rauf aufs Pferd.



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1 Kommentar:

  1. Anonym2/26/2014

    Warum wärmen wir meist NUR die Pferde auf? Eine Schulung des Reiters mit Aufwärmübungen und Ideen, wie und wo man sie einbauen kann, ist gut. Beispiele gibt es manchmal in der Cavallo.

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